Nina Sayers, verkörpert in bravoröser Manier von Natalie Portman, ist eine junge Primaballerina im Kampf um ihren Platz auf der Bühne. Es ist ein beklemmendes und blutiges Geschäft, wie uns bereits in den ersten Minuten des Films eindringlich vorgeführt wird. Es ist ein Extremsport im Sinne der maßlosen Ausbeutung des eigenen Körpers bis an seine Grenzen. Doch bald scheinen auch diese erreicht. „The only person standing in your way is you“, wie der Choreograph (Vincent Cassel als famoser Puppenspieler, der die Fäden zieht) ihr einzubläuen versucht. In einer modernen Adaption von Tschaikowskis Schwanensee soll Nina nicht nur den weißen, sondern auch den schwarzen Schwan in einer Doppelrolle verkörpern. Der Weg dahin wird für sie zu einem paranoid-schizophrenen Spießroutenlauf zwischen obsessiver Ambition und Wahn. Ninas Zuhause ist gekennzeichnet von der totalen Unterdrückung (von Sexualität); gepeitscht von ihrer besessenen Mutter, die um ihre eigene nie existent gewesene große Karriere trauert (großartig klischeehaft: Barbara Hershey). Bei den Proben wiederum ist sie gefordert, gerade jene aufgestauten sexuellen Energien freizulassen und sich auf ausbeuterische Weise auf der Bühne zur Schau zu stellen – ein dem Ballett wohl immer schon immanentes Charakteristikum, ein nahezu pornographischer Akt im Gewand elitärer Hochkultur. Dann ist da auch noch das offenherzige Newcomer-Talent (Mila Kunis), das mit scheinbarer Leichtigkeit all diesem Druck gegenübertritt und ob ihrer spielerisch-sexuellen und offenherzigen Natur zur hinterhältigen Bedrohung wird, zumindest in Ninas Wahrnehmungsvakuum.
All diese Plot-Elemente wirken auf den ersten Blick banal. In einigen Momenten fühlt man sich sogar an Paul Verhoevens meisterhaftes und maßlos unterschätztes Trash-Epos »Showgirls« (1995) oder gar Michael Hanekes verstörend-verstümmelndes Mutter-Tochter-Spiel »Die Klavierspielerin« (2001) erinnert – um nur auf zwei Extreme des weitreichenden Spektrums aus dem Aronofsky zu schöpfen vermag zu verweisen. Darüber hinaus entwickelt der Regisseur jedoch seine eigene Handschrift fort zur Perfektion. Ähnlich wie bereits in »The Wrestler« (2008) rückt die Handkamera ihrer Protagonistin sehr nahe auf und verfolgt sie auf ihren Wegen bis auf die Bühne, den Ort der nunmehr absoluten Zurschaustellung. Die Stars in der Manege werden dabei getrieben wie das Vieh zum Schlächter. Eine unerträglich klaustrophobische und kühl-düstere Atmosphäre bis hin zu noch wesentlich expliziteren Formen der Körperverstümmelung und Metamorphosen machen den Film zu dem ungemein aufgeladenen Psychothriller, der er ist. Die atmosphärische Dichte erinnert dabei nicht zufällig an frühe psychologische Horrorthriller Roman Polanskis. Der Schrecken lauert tief schlummernd verborgen im Inneren, droht jedoch mit absoluter Gewissheit an die Oberfläche auszubrechen. Der kammerspielartige Schlagabtausch zwischen Geist und Körper läuft unweigerlich auf den Abgrund zu. Selten war der Fall so eindringlich schön und schaurig zugleich.
Christian Krisper